Ultramarine Linux 39 – Budgie Edition im Test

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Ultramarine Linux, basierend auf Fedora Workstation, hat sich als eine benutzerfreundliche und leistungsstarke Linux-Distribution etabliert. In diesem Bericht werden wir uns auf die neueste Version, Ultramarine Linux 39 (Kuma) in der Flagship Edition mit Budgie Desktop, konzentrieren und die umfassenden Funktionen, Verbesserungen und Merkmale erkunden und hoffentlich feststellen, ob es sich für Fedora Nutzer oder für Dich lohnt den Umstieg zu wagen.

Eckpunkte über Ultramarine Linux

Auf der Ultramarine Linux Seite beschreibt sich die Distro selbst wie folgt:

Ultramarine Linux ist ein Linux-basiertes Betriebssystem, das für Deine persönliche Workstation (oder Battlestation) entwickelt wurde. Es ist so konzipiert, dass es so einfach wie möglich zu bedienen ist und Dir nicht im Weg steht. Ultramarine Linux hält mit der neuesten und besten Software in der Open-Source-Community Schritt und versucht gleichzeitig, stabil und sicher zu sein. Ultramarine ist für jeden geeignet, vom Anfänger bis zum Technikbegeisterten und sogar für Windows-Aussteiger!

Ultramarine Linux

Das klingt doch verheißungsvoll oder nicht?

Zunächst mal sollten wir festhalten, dass Ultramarine auf Fedora Workstation basiert und immer etwas nach Fedora seine nachfolgenden Versionen veröffentlicht. Ultramarine Linux hat Budgie Desktop als Flaggschiff Ausgabe festgelegt. Daneben gibt es noch Ausgaben mit KDE Plasma, Gnome Shell und Pantheon Desktop.

Das Core-Team besteht aus 6 Köpfen, wie dem Ultramarine Wiki zu entnehmen ist. Das Team sitzt über die Welt verteilt.

Wie Fedora folgt Ultramarine einem semi-rollenden Modell, das zwar einem klassischen Point-Release Modell folgt, aber innerhalb einer Version stets sehr aktuelle und neue Pakete und Software bereitstellt. Die Fedora Basis wurde also zwischen den klassischen LTS Distros wie z.B. Debian oder Ubuntu und rollenden Distros wie Arch oder Solus positioniert. Am ehesten sind die Fedora Ausgaben mit den Ubuntu Interimsversionen vergleichbar, da beide im halbjährlichen Rhythmus veröffentlicht werden.

Im Hinblick auf die Mindestanforderungen könnt Ihr Euch daran orientieren: 64-bit oder ARM64 Prozessor, 4 GB RAM (besser 8 oder mehr) und 10 GB Plattenplatz (besser 20 oder mehr). Mehr ist hier immer besser. Die 4 GB RAM sind Unterkante. Da Ultramarine Budgie, KDE, Gnome und Pantheon führt, würde ich mindestens 8 GR RAM ans Herz legen, wenn die Nutzererfahrung einigermaßen brauchbar sein soll, besser 16GB.

Die Anforderungen könnt Ihr hier nachschlagen. Ultramarine 39 wurde an Thanksgiving 2023 veröffentlicht, also konkret am 24.11.23.

Zielgruppe

Die Zielgruppe liegt bei Desktop Nutzern. Ultramarine will einfach laufen und Dir nicht im Weg bei Deiner Arbeit stehen. Dabei soll es stets aktuelle Software bieten. Ein Spagat, der nicht immer leicht zu vollführen ist.

Was ist neu?

  • In der Flagship Edition wurde Nautilus durch Nemo ersetzt
  • Die Pantheon Edition nutzt die ElementaryOS Flatpak Apps
  • Unterstützung für Chromebooks und Raspberry Pi 4
  • Neue Hintergrundbilder
  • Und natürlich alle Neuerungen, die mit Fedora 39 einhergingen

Im Zweifelsfall schaut mal in den Changelog rein.

Inbetriebnahme

Wir gehen auf die Seite ultramarine-linux.org und klicken gleich oben links auf Download. Jetzt steht Ihr vor der Entscheidung welche Ausgabe. Ich habe Budgie, Gnome und Pantheon angeschaut aber dann dennoch entschieden für diesen Test die Flaggschiff Budgie Ausgabe zu verwenden. Mit Klick auf Download lädt das ISO kurz darauf herunter. Unter dem Download Knopf findet ihr die jeweilige Checksumme für das ISO. Falls Du damit nichts weißt anzufangen, dann schau mal hier. Ich hatte schon demonstriert, wie man diese Prüfsummen bildet und sich somit vor korrumpierten oder manipulierten Softwarepaketen schützt. Geht in wenigen Minuten.

Auf dem Installation Guide beschreiben es die Entwickler aber auch selbst, wie die Prüfung läuft.

Danach gehts weiter mit der Vorbereitung des Installationsmediums. Ihr könnt entweder in eine VM installieren oder auf Blech. Installiert ihr auf einem echten Rechner, braucht Ihr ein Tool wie Balena Etcher und einen USB Stick um das ISO zu flashen.

Installation

Bootet Ihr die VM oder on USB, dann gelangt Ihr erstmal in den LiveModus. Der Installer ist auf dem Desktop platziert und gleicht dem von Fedora. Aus dem Grund mache ich es an der Stelle kurz und verweise auf meinen Installationsbeitrag von Fedora im Rahmen der Serie Wechsel zu Linux. Da beschreibe ich die Installation inkl. kleinerer Optimierungen um das volle Potenzial von BtrFS Dateisystem zuzüglich den Subvolumes auszunutzen. Link ist in der Beschreibung.

Performance, Desktop & Apps

Systemvermessung

Mein System krallte sich 6 GB von der Platte. Der Bedarf an Arbeitsspeicher lag bei 1,8GB im Leerlauf nach dem Start.

Anzahl vorinstallierter Apps: 1754; Flatpak Apps sind nicht vorinstalliert

Desktop Oberfläche und Konzept

Zum Zeitpunkt der Beitragserstellung wurde Budgie 10.8.2 bereitgestellt.

Budgie ist ein Gnome Fork und das macht sich in der Benutzung bemerkbar. Allgemein kommt der Desktop in einem Windows ähnlichen Designkonzept daher. Unten eine Leiste wie die Taskleiste. Links das Startmenü, das aber anders als bei Windows aussieht. Neben dem Startmenü kommt der Wechsler für Workspaces, also virtuelle Desktops. Angepinnt sind keine Schnellstarter-Apps und generell werden Apps mittig in der Leiste angezeigt. Rechts in der Leiste sind Systemindikatoren und Steuerelemente wie Netzwerk, Lautstärke und Uhr. Ganz rechts ist ein Knöpfchen. Bei Betätigung kommt eine Seitenleiste reingefahren, die manche von Euch vielleicht noch von Windows Vista kennen, als man das seinerzeit mit Gadgets realisierte.

Standardmäßig kommt der Desktop in schwarzen bzw. dunklen Thema. Ändern lässt sich das in den Budgie Desktop Einstellungen. Hier unter Style dann bei Widgets entsprechend durchrpobieren und ggf den obersten Schieberegler „Dark Theme“ deaktivieren.

Softwareauswahl (Anzahl Apps, Software Stack)

Folgender Stack ist vorinstalliert

  • Linux Kernel 6.6
  • Browser: Firefox
  • Mailclient: keiner
  • Office: LibreOffice
  • Container: Flatpak

Allgemein kommt das System recht schlank daher und folgt mehr oder minder dem Vorbild der Fedora-Basis. Ehr weniger als mehr. Das geht schon in Ordnung wenn man von einem Flaggschiff nicht erwartet, dass alles erdenkliche dabei ist. Ich erwähne das gerade deshalb weil man sich für Windows-Umsteiger als geeignete Wahl hält. Ob alle Windows Nutzer die entsprechenden Programmalternativen für Linux kennen, wage ich zu bezweifeln, weswegen etwas mehr beigepackte Software wie z.B. Thunderbird als Mailclient hier vielleicht hilfreich gewesen wäre.

Abschließende Gedanken

Ultramarine bietet einige interessante Desktop-Verbesserungen im Vergleich zu Fedora Workstation. Wenn Du derzeit Fedora nutzt und mit Ultramarine liebäugelst, dann bieten Dir die Entwickler ein Migrationsscript an, durch welches Du ein Fedora Workstation System in ein Ultramarine System umwandeln kannst. Das aber auf eigenes Risiko!

Die Entwickler von Ultramarine binden eigene Paketquellen in das System ein. Das heißt nicht, dass das unbedingt schlecht ist. Aber es heißt, dass hier Verantwortung liegt bei den Entwicklern das anständig zu pflegen. Ob ein Team aus 6 Köpfen hier langfristig über die nötige Schlagkraft verfügt, wird sich zeigen müssen. Ist machbar aber könnte auch Zeugnis davon sein, dass man nette Ideen hat und schnell mal was macht ohne die langfristigen Konsequenzen zu bedenken. Muss hier nicht zutreffend sein. Wir werden es sehen.

Mir sind bei den Budgie, Gnome und Pantheon Editionen unvollständig Übersetzungen im deutschen Sprachpaket aufgefallen. Das ist kein schwerwiegendes Problem aber doch etwas unschön, weil andere Distros hiermit nicht negativ auffielen. Also damit müsst Ihr entweder leben oder Euch selbst auf die Suche nach einer Lösung machen.

Laut Distrowatch erschien die Erstausgabe im Dezember 2021. Bedeutet also, dass die Distro noch jung ist. Ob das nun ein Vor- oder Nachteil ist, ist subjektiv. Ich bin bei so etwas stets vorsichtig optimistisch. Manche von Euch können sich sicher noch an den Antergos-Effekt erinnern. Antergos war vor ein paar Jahren eine der vielversprechenden Arch-Fork Distros, die benutzerfreundlich sein wollte und somit auch sehr erfolgreich wurde. Doch das ganze wuchs dem Team und Chef-Entwickler über den Kopf, sodass er den Stecker zog und die Distro einstampfte. Die Anwender waren dann gezwungen sich selbst nach einer Alternative umzuschauen und zu wechseln. Damit will ich auf die Gefahr hinweisen, die einerseits mit jungen Distros und andererseits mit kleinem Entwicklerteam drohen könnten. Muss aber nicht auf Ultramarine zutreffen.

Fazit

Man merkt schon, dass das kein Fedora mit anderem Desktop ist. Aber genau da frage ich mich schon öfter mal wozu dann Ultramarine und nicht Fedora. Ja, Budgie wurde aufpoliert und wird sicher einigen gefallen. Ich konnte mich mit Budgie nie anfreunden. Daher muss Budgie einen wie mich gewinnen. Wer Budgie mag, ist vermutlich eh schnell überzeugt. Mich hat es nicht so ganz abgeholt.

Gefallen hat mir da die Gnome Version mit Tiling Option. Diese kommt standardmäßig mit der selben Tiling-Funktion wie wir sie von Pop!_OS kennen. Das gefiel mir. Dennoch trügt das nicht darüber hinweg, dass die Distro out of box wenig Eigenes bietet. Es sieht optisch nett aus aber schwächelt bei fehlerhafter Übersetzung und genauer Zielsetzung. Die Fedora Basis leistet sich hier keine Schnitzer. Aber man muss zu Gute halten, dass der Fokus auf Desktop bei Ultramarine besser rauskommt als z.B. bei Fedora, dass ja Gnome ohne jegliche Anpassungen ausliefert.

Bei der Pantheon Version war ich anfangs sogar geneigt das mit Elementary OS zu vergleichen, was grundsätzlich auch geht. Aber die fehlerhafte Übersetzung patzt hier leider. Ansonsten wenn das gelöst ist, könnte das interessant werden.

Daher überlasse ich es Euch über den Mehrwert der Distro zu entscheiden. Gefällt Euch das oder würde Ihr ehr zu Fedora, Nobara oder einer anderen Distro greifen? Schreibt das doch mal in die Kommentare hinein. Da bin ich über Euer Urteil gespannt.


2 Comments

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  1. “Designed to be 100% bug-for-bug compatible with Fedora”

    Ist das neulich nicht vom Hersteller verboten worden, den originalen Code zu kopieren und nur den Namen auszutauschen?
    Wozu jetzt noch diese n-te “besonders benutzerfreundlich” gedachte Version, die sich mal wieder als halbgar herausstellt? “We aim to ease the user experience by providing a more friendly first-time experience, and to make the system “just work” for new and advanced users” ham wer ja schon öfter gehört. Deshalb danke für die Review.
    Ganz abgesehen davon, kann ich mit dem Aufbau von RH, Fedora und Abkömmlingen eher wenig anfangen. Ist wohl eher was für Unternehmen.