Warum ich mich mehr auf mein Business statt auf die Linux Distro konzentriere

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Linux Distros gibt es heutzutage viele. Mit der Vielfalt kommen auch verschiedene technische Ansätze zustande. Ich bevorzuge Distros mit Langzeitpflege. Wieso das so ist, warum ich rollende Distros nicht einsetze und wieso ich mich lieber auf mein Business statt auf die Distro konzentriere, erfahrt Ihr in diesem Beitrag.

Über die Linux Distros

Wir sind jetzt Ende 2021 im Linuxbereich an einem Punkt, an dem es überwiegend zwei Typen von Distros gibt: Distros mit festen Versionsständen und Langzeitpflege, sowie rollende Distros ohne Versionsstände und dafür stets mit neuesten Softwarestack.

Heißt LTS Distros frieren zum Release Paket- und Softwarestände ein, stimmen die Pakete aufeinander ab und veröffentlichen dann eine Linux Distro, die dann über einen bestimmten Zeitraum mit Aktualisierungen versorgt wird. Die Pflege mit Aktualisierungen beschränkt sich in der Regel auf die Korrektur schwerwiegender Fehler und überwiegend auf Sicherheitsaktualisierungen. Bekannte Beispiele für solche Distros sind u.a.: Debian, openSUSE Leap, Ubuntu LTS inkl. darauf aufbauende Distros wie z.B. Linux Mint. Der Nachteil der Stabilität ist dann die Aktualität der Software.

Auf der anderen Seite sind rollende Distros, die keine Versionsstände anbieten. Das jeweilige Projekt baut quasi einmalig eine Distro auf, und aktualisiert fortlaufend alle Upstream-Pakete und liefert diese sofort aus. Die Nutzer verfügen damit über ein System, welches stets die neuesten Pakete und Software inne hat. Beispiele für solche Distros sind u.a. Arch Linux, Manjaro Linux, openSUSE Tumbleweed oder Solus Linux. Der Nachteil der Aktualität ist dann die Stabilität des Systems.

Als dritten Ansatz, der aber mehr ein Nischendasein fristet, gibt es zwar definierte Versionsstände, doch innerhalb der Versionsstände werden zahlreiche Pakete zeitnah aufgefrischt. Es handelt sich hierbei auch nicht um die Schnittmenge zwischen den obigen beiden Ansätzen, sondern ist wirklich ein eigener. Dieses Modell wird vordergründig bei Fedora Linux verfolgt. Fedora möchte damit gleichermaßen stabil wie aktuell sein. Doch vielleicht hat man damit nicht nur alle Vor-, sondern auch alle Nachteile zu verkraften. Letztlich stellt es für die Entwickler den größten Aufwand dar abgestimmte Point-Releases stets aktuell zu halten.

Überwiegend vertreten sind jedoch die ersten beiden genannten Sorten Linux Distros.

Die dunkle Seite der rollenden Distros

Ihr wisst ja, die dunkle Seite ist schneller, verführerischer. Das könnte man auch hier so sehen. Die rollenden Distros machen erst einmal einen guten Eindruck. Top aktuelle Software, immer gleich nach Erscheinen. Das klingt toll oder? In der Theorie ist es auch so. In der Praxis ist es dann so, dass es oftmals zu Problemen in den Paketabhängigkeiten kommt oder generell Fehler dazu führen, dass Programme nicht starten, abstürzen oder sich das System nicht mehr startet oder nicht mehr verhält, wie erwartet.

Um dem entgegenzuwirken, haben einige rollenden Distros sich auch was einfallen lassen. OpenSUSE liefert bei Tumbleweed die Pakete in getesteten Schnappschüssen aus. Heißt Du bekommst nicht täglich neue Pakete, sondern für gewöhnlich kommen Schnappschüsse alle paar Tage. Schnappschüsse sind hier nicht mit den System-Sicherungsschnappschüssen zu verwechseln. Die Schnappschüsse, die openSUSE Tumbleweed ausliefert, sind getestete Tumbleweed Software Stacks, die aktuelle und getestete Pakete ausliefern. Andere Distros wie Manjaro oder Garuda setzen auf das BtrFS Dateisystem und damit in Verbindung auf rückrollbare Schnappschüsse, die via Timeshift erstellt werden. Läuft etwas mit den Aktualisierungen schief, kann man das Problem entweder selbst lösen oder man rollt einfach einen Schnappschuss zurück. Dann muss man halt darauf hoffen, dass beim nächsten Update das Problem zwischenzeitlich bekannt ist und somit gelöst.

Arch Linux liefert nicht direkt solche Abfangnetze aus. Wer in solche Fehler läuft, muss entweder selbst Hand anlegen oder baut sich die Netze selbst. Der Wartungsaufwand kann bei rollenden Distros weitaus umfangreicher ausfallen als bei LTS Distros. Hier kommt es nun auf Dich, also den Anwender an, zu entscheiden, was Du letztlich willst. Die Versuchung der möglichst aktuellen Paketen geht letztlich auf Kosten der Stabilität. Zugegeben, einige rollende Distros haben sich interessante Lösungswege einfallen lassen dem zu begegnen, doch bräuchten sie dies nicht, hätten sie es nicht gemacht. Ich meine dies gar nicht als Kritik, sondern lediglich feststellend.

In meinen Augen hat das Modell der rollenden Distros ehr den Charakter eines Hobbyprojekts, auf das ich auch mal verzichten können muss, wenn es gerade kaputt ist. Im Business oder im Alltag habe ich keine Zeit für solche Spielereien. Stell Dir mal vor, Du sitzt im Meeting mit Deinem Kunden und willst eine Produktpräsentation starten aber das geht nicht, weil LibreOffice nicht startet oder Dein X-Server bzw. Wayland gerade nicht laufen wollen. Und auch wenn jetzt einige sagen, Bluescreens gabs in solchen Situationen schon bei Windows, heutzutage hat das Seltenheitscharakter bei Windows.

Meiner Erfahrung nach ist es so, dass wenn man ein rollendes System nahe am Standard hält, dies die Fehlergefahr mindert. Je mehr installiert wird, desto größer die Fehleranfälligkeit im allgemeinen. Ist auch logisch, je mehr Pakete aktualisiert werden, also in Bewegung sind, desto größer die potentielle Gefahrenquelle.

Enterprise setzt auf LTS

Natürlich ist mir klar, dass auch unter Euch Leute sind, die eine rollende Distro seit langer Zeit ohne Probleme einsetzen und die keine der oben beschriebenen Probleme bislang hatten. Das glaube ich Euch auch gerne und bezweifele das nicht. Ich sage ja nicht pauschal, dass rollende Distros Bastelbuden sind. Das nicht. Aber aufgrund der hohen Fluktuation an Paketaktualisierungen ist die potentielle Gefahr, dass es zu Problemen kommen kann, konstitutionell einfach höher.

Um das zu manifestieren, schauen wir kurz auf den finanziell lukrativen Aspekt der Linux Distros: Das Enterprise Geschäft. Hierbei handelt es sich vorwiegend um den kommerziellen Firmenkundenbereich, der sein Geld hauptsächlich mit LInux Business Lösungen wie verdient.

Hier greifen wir uns einfach mal die drei größten Anbieter und Debian heraus: Red Hat, Suse, Ubuntu, Debian.

Kommen wir ohne großes Umschweifen zum kleinsten gemeinsamen Nenner: Alle vier sind LTS Versionen, die mit festen Release-Ständen kommen und über einen gewissen Zeitraum ihr Produkt mit Korrekturen und Sicherheitsaktualisierungen versorgen.

Neueste Pakete? Nein.

Neueste Treiber? Nein.

Neueste Schnittstellen? Nur bedingt

immer das neueste? SchnickSchnack

Ich habe es jetzt bewusst mit Humor abgerundet. Denn ein was ist bei den oben genannten Anbietern ganz wichtig. Die Stabilität des Produkts. Und diese können die Anbieter nur dann gewährleisten, wenn eine größtmögliche Feinabstimmung unter bekannten Paketständen vorgenommen wird. Diesen Aufwand kann man de facto nicht mit rollenden Distros unter zugrundelage des Aktualisierungsintervalls von Arch Linux gewährleisten. Arch schiebt die Pakete sofort durch. Einen etwas dezenteren Weg gehen z.B. Manjaro und openSUSE mit Tumbleweed. Hier werden die Pakete zunächst getestet und kommen dann nach einer Karenzzeit von ein paar Tagen bis Wochen zu den Anwendern. Es wird ein Spagat zwischen möglichst neu, nicht nagelneu, und Stabilität versucht. Dies gelingt zwar schon, doch kann man sich halt nicht in dem hohen Maße wie bei den fixen Versionsstand-Distros darauf verlassen. Klar, dank BtrFS und Schnappschüssen kann man im Notfall zurückrollen, doch dann ist das Kind ja eigentlich schon in den Brunnen gefallen und man doktort nur noch an den Auswirkungen eines Problems herum, statt das Problem direkt zu lösen.

Versteht mich an der Stelle nicht falsch, ich finde die Kombination der rollenden Distros mit rückrollbaren Schnappschüssen sehr gut. Doch mir reicht das nicht aus um mich im selben Maße wohl zu fühlen wie bei den Distros mit hohem Fokus auf Stabilität.

Und das sehe nicht nur ich so, sondern auch ganz viele andere Menschen. Und ganz besonders auch die Firmen bzw. Distributoren hinter den Enterprise Lösungen auf Basis von Linux. Im Geschäftsumfeld ist das Betriebssystem nur ein bestimmter Layer unten drunter und der Fokus liegt ofmals auf dem Applikationslayer, also das, womit der Kunde arbeitet. Sei es SAP oder irgendeine andere Business Suite oder ein CAD Programm oder eine andere Middleware Lösung, was auch immer die Firma antreibt und womit sie ihr Geld verdient. Auf Dauer wirst Du vermutlich als System Admin mit einem RHEL oder SLES besseren Schlaf in der Nacht finden als mit einem Arch Server. Server ist einfach nicht der primäre Fokus von Arch, das ist alles. Natürlich kann ein Arch Server auch gut und lange laufen. Aber es wird schon einen Grund haben, wieso es keine nennenswerte, kommerziellle Lösung von Arch oder auf Basis von Arch im Serverumfeld gibt.

LTS und die alten bzw. alternden Pakete

Kommen wir zu einer Thematik, die oft mit den LTS Versionen einhergeht. Die Stabilität fußt auf abgestimmten Paketen, die nur im Falle schwerer Probleme Korrekturen bekommen und überwiegend Sicherheitsaktualisierungen erhalten. Das heißt am Desktop konkret, dass wenn der Entwickler von Programm A eine neue Version herausbringt, diese nicht in z.B. Debian Stable oder Ubuntu LTS angeboten wird. Warum? Weil das Modell der Softwarebelieferung nicht das ist, auf das die LTS Distros aufbauen. Es gibt, bis auf wenige Ausnahmen wie z.B. Firefox oder Thunderbird, keine neuen Versionen der Programme. Nur Sicherheitsaktualisierungen. Sofern es Sicherhetis-Patche oder dergleichen gibt, werden diese von den Paketbauern aufgegriffen und für gewöhnlich zeitnah bereitgestellt. Dabei wird Programm A aber nicht auf den neuesten Stand gebracht. Sondern nur der Patch wird untergeschoben.

So kommen bei den bereitgestellten Softwarepaketen eben nicht die neuesten Merkmale, auch Features genannt, beim Anwender an. Man arbeitet mit der Software, die bereitgestellt wird. Was für manche vielleicht wie ein Paradigmaschock wirkt, ist für andere überhaupt kein Problem. Schließlich will man mit dem System arbeiten und nicht am System.

Und genau hier können die Anwender sich auf verschiedene Weise behelfen, sollte eine neuere Programmversion dennoch mal nötig sein. Auf die Lösungen möchte ich an der Stelle nicht alle detailliert eingehen, da es thematisch doch etwas weg führt und den Stoff für einen separaten Beitrag birgt. Kurz gesagt kann man sich mit Software Containern wie Flatpak, App Image oder Snap behelfen. Letztgenannte Lösung kommt bei Ubuntu standardmäßig mit, wobei es bei Ubuntu noch den Weg gibt Entwicklerpaketquellen, sogenannte PPAs einzubinden und dann die neuesten Versionsstände direkt vom Entwickler zu erhalten statt vom Ubuntu Paketbauer. Dennoch setzten die meisten Distributionen auf Flatpak, was quasi der quelloffene Standard ist, wenn auch gleich es hier keinen definierten Standard gibt, sondern nur einen Richtwert, schaut man sich an, was die meisten Distros für eine Software Containerlösung anbieten. Hier hat Flatpak quantitativ einfach die Nase vorne.

Am Server ist es eh so, dass die Anwender nicht direkt auf Betriebssystemebene herumturnen, sondern überwiegend auf der Ebene des Applikationslayers. Von daher sind die Versionsstände der installierten Pakete für den Endanwender am Server mehr oder minder völlig irrelevant. Sie werden dann für Appliationsverantwortliche nur dann unter Umständen wichtig, wenn ein Upgrade der Applikation neuere Paketstände erfordert und diese mit dem System Administrator besprochen werden müssen.

Keine Zeit für Bastelei im Alltag

Mir fiel in den letzten Jahren auf, wie zufrieden ich eigentlich mit einem System bin, das einfach läuft und immer verfügbar ist, wenn ich es brauche. Wartungsaufwand tendiert gegen null. Einfach regelmäßig nach Aktualisierungen suchen und von Zeit zu Zeit mal durchstarten wenn z.B. ein neuer Kernel oder ein Patch am Grub Bootloader kam. Fertig. So fuhr ich in den letzten Jahren ausgesprochen gut mit LTS Distros.

Von daher sehe ich für mich überhaupt keinen Grund daran etwas zu ändern. Ich habe eine hohe zweistellige Zahl an virtuellen Maschinen im Einsatz. Darunter alle gängigen Linux Distros, also auch rollende wie Arch, Manjaro, Tumbleweed, Solus, EndeavourOS usw. Mir fallen regelmäßig bei den Aktualisierungen fehlende Paketabhängigkeiten auf bei den rollenden Distros, nicht nur auf Arch Basis, auch bei Tumbleweed stieß ich auf solche Probleme. Was hiflt dann? Entweder selbst dran fummeln oder warten und hoffen, dass das Problem in naher Zukunft gefunden und gelöst wird oder selbst melden. Das ist für mich bei VMs überhaupt kein Problem, da ich auf diese nicht angewiesen bin. Aber an den Hostsystemen bin ich auf dessen Betrieb durchaus angewiesen.

Meine Zeit ist heutzutage leider ausgesprochen knapp. Ergo muss ich sie möglichst effizient einsetzen. Und eine halbe Stunde am System fummeln mag für manchen doch nach nicht viel klingen. Für mich ist es das aber, denn da könnte schon mal die Aufnahme eines Videos drin sein. Verliere ich diese zu oft, komme ich in Rückstau, was zu Problemen führt. Ergo bin ich auf dem Zweig der LTS Distros. Diese tun, was sie sollen. Vielleicht sind sie für manche langweilig, das kann gut sein. Zum Lernen und vertiefen der Kenntnisse ist Arch Linux in meinen Augen so ziemlich die beste Lösung, da man alles von Hand machen muss. Für den Tagesbetrieb wäre das für mich aber absolut unvorstellbar.

Doch es ist nicht schlimm. Linux lebt ja von der Diversität. Und ich habe das in meiner Laufzeit mit Linux durchaus zu schätzen gelernt. Die volle Bandbreite ist ein Segen, kein Fluch. Damit schließe ich übrigens rollende Distros ausdrücklich mit ein, wenn ach gleich ich es für mich ablehne diese produktiv einzusetzen. Schlimm finde ich allerdings Versuche der Missionierung oder Auffallen um jeden Preis. Das ist nicht meine Welt. Ich bin Anhänger des Credos Leben und Leben lassen.


3 Comments

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  1. Damit hast vollkommen Recht, wer Besitz wem ist eine Entscheidende Frage. Für mich ist es oft knifflig, auf was ich mehr achten muss bei einem System. ich stelle mir dann die Frage, mit was kann ich leben? Wie kann ich mit leichten Handgriffen immer die Kontrolle behalten im Verhältnis zur Software, die ich unbedingt benötige, aber auch, wo ich schnell etwas Nachschlagen kann. Eien Frage bringt mich immer weiter, egal ob es ein System, um Gesundheit oder einen Job geht, was bringt mir das? Oder, wie viel besser ist das neue zum alten? Den Tradition muss nicht immer schlecht sein. So etwas lese ich sehr selten in den Tests und wende die Fragen selber einfach an. Eine etwas andere Fragestellung kann oft schneller Lösungen führen. In deinem Fall sind es die Abhängigkeiten. Ich muss nur auf eine Aufpassen, das ist Freeplane und Java unter Version 17, sonst geht es nicht. Wenn ein Tool nicht geht, dann starte ich es im Terminal und bekomme die Fehlermeldung. Wenn ich produktiv bin, dann Update ich sowieso nicht und selbst mit Arch bin ich nicht der erste, der die Updates einspielt. 2 Tage liegen meist dazwischen und da haben sich die meisten Probleme sowieso geklärt.