deepin 15.11 im Test. Linux aus China – Empfehlenswert oder besser Finger weg?

5 min


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Deepin Linux ist eine der umstrittensten Distributionen mit Herkunftsland China. Wir werfen heute einen Blick auf Deepin Linux 15.11 und versuchen einzuschätzen ob es wirklich so kritisch um Deepin steht oder ob man sich Deepin durchaus mal näher anschauen kann.

Über die Distribution

Deepin wird auf Distrowatch unter den Top 10 Distributionen gelistet und belegt mit Platz 10 hier das Schlußlicht. Also geht mit deepin eine Gewisse Popularität einher, die trotz aller Bedenken um Hintertüren, einmal beleuchtet werden sollte. Deepin verfolgt einen eigenen Ansatz und erhebt den Anspruch eine sehr nutzerfreundliche Linux Distribution zu sein. Die Basis von deepin bildet Debian, was also einem soliden Unterbau garantiert. Doch deepin ist nicht einfach nur deepin. Denn der Desktop ist eigentlich abgekoppelt und wird als DDE (Deepin Desktop Environment) geführt. Auch andere Distributionen wie Manjaro adaptierten mal DDE aber sind von dem Zug wieder abgesprungen, als die Deepin Technology Co Ltd das „User Experience Programm“ startete. Ziel dieses Programms war die Auswertung des Nutzerverhaltens um den Desktop zu verbessern. Das klang für viele Linuxfreunde wie die EULA von anderen Betriebssystemen aus den USA. Wem also seine Privatsphäre etwas Wert ist, sollte das mit scharfem Auge prüfen.

Meinen Recherchen zufolge ist das Diagnoseprogramm per Standard aus und kann vom Benutzer an- und jederzeit wieder ausgeschaltet werden über das Control Center. Ich konnte über das Kontrollzentrum keine Einstellung dazu finden. Im App Starter fand ich unter „feedback“ das Benutzerfeedback. Führt man das aus, kommt eine Passwort – Abfrage und ein Browser öffnet sich. Gebt Ihr Euer Kennwort ein, verschwindet die Abfrage und sendet vermutlich ohne weitere Angaben über Inhalt und Umfang die Daten. Im Browser kann man Feedback senden. Das wars. Der dadurch entstandene Eindruck hinterlässt bei mir leider kein vertrauenserweckendes Gefühl. Ich weiß nicht ob was geschickt wurde und falls was geschickt wurde, weiß ich nicht was genau. Also hier ein Daumen runter!

Es gibt bei deepin einen Forumseintrag „Warum man einer chinesischen Distribution trauen sollte“. Darin erwähnt man, daß Windows und macOS Backdoor haben und man bei Deepin der chinesischen Firewall trauen könne. Ich will hier nicht näher darauf eingehen. Doch solange Deepin nicht mal 100%ig auditiert ist, kann man das schwer einschätzen ob deepin nicht auch Backdoors hat oder nicht.

Download

Wenn Ihr Euch deepin einmal selbst anschauen wollt, könnt Ihr es von der deepin seite deepin.org herunterladen. Ich habe dann in einer VM weitergemacht.

Installation

Der Installationsprozeß ist unkompliziert und führt einen sicher Schritt für Schritt durch.

Bereits hier beginnt deepin seine Stärken in der Optik auszuspielen. Während der Installation werden sehr ansprechende Animationen eingeblendet. Das ganze steht in einem optisch geschlossenen Gesamtkonzept und weiß zu gefallen.

Plattenplatzverbrauch nach Installation & Aktualisierungen

Ist der Installationsprozeß abgeschlossen und das System zum ersten mal gestartet, sind von Eurer Platte 10GB belegt. Sind alle angebotenen Aktualisierungen eingespielt, wächst der Verbrauch auf 11 GB. Also recht üppig.

Arbeitsspeicherverbrauch

Durchaus genügsamer als beim Plattenplatzverbrauch zeigte sich deepin im Umfang mit dem RAM. Hier wurden meist so 450MB belegt. Das ist sehr positiv bei diesem auspollierten und hübschen Desktop mit vielen Effekten.

Desktop

Das DDE kommt in einem optisch ausgesprochen hübschen Aussehen daher. Der Desktop sieht modern aus. Verfügt über eigene Impulse und macht einen performanten Eindruck. Das Kontrollzentrum ist der Anlaufpunkt wenn wir Änderungen vornehmen möchte. Hier sieht man schon wie sehr Deepin von anderen Distributionen abweicht. Über Personalisierung können wir zwischen hell und dunkel wählen, die Symbole verändern. Weiter besteht hier die Möglichkeit Schriftarten einzustellen oder Effekte auszuschalten. Dann schaut es nicht mehr ganz so hübsch aus aber immer noch brauchbar und modern.

Mir fiel auf, daß ich nicht auf deepin-dark umstellen kann bzw. daß diese Änderung ohne Wirkung bleibt.

Die mitgelieferten Hintergrundbilder sind überragend schön und schon das Konzept diese zu wechseln zeigt den eigenständigen deepin-Weg. Das gefällt mir sehr gut.

Ansonsten kann ich Designelemente von Windows 10 im Fenster Design erkennen, während das Dock unten ehr MacOS Anwender bekannt vorkommen dürfte.

Vorinstallierte Software

  • Kernel 4.15.0-30deepin-generic
  • Firefox ist nicht vorinstalliert. Stattdessen kommt Google Chrome 78.0.3904.97 mit.
  • Thunderbird 60.3.0
  • LibreOffice ist nicht vorinstalliert. Es kommt WPS Office mit. Der Lizenzvertrag ist in chinesischen Zeichen, also unleserlich für mich. Laut Deepin Store kommt Version 11.1.0.8865

Allgemein vorinstallierte Software:

Deepin zögert nicht davor propritäre Software direkt auszuliefern. Insgesamt ist das vorinstallierte Softwareangebot jedoch überschaubar. Ob man die Deepin Cloud Druck Konfig-Assistentne nutzen sollte, muß jeder selbst entscheiden. Insgesamt ist eine bescheidene Vorauswahl installiert. Das geht in Ordnung.

Besonderheiten

Deepin bietet mit Deepin Apps einen eigenen App store, der sehr prall gefüllt ist und an den MacOS App Store erinnert. Man kann dort auch viel proprietäre Software beziehen. Der App Store sieht super aus und zeigt, wie gut Linux aufgestellt sein könnte insgesamt. Damit ist nicht die Fülle an unfreier Software gemeint, sondern wie ein schlüssiges Konzept zu einem konsistenten Ergebnis führen kann.

Fazit

Deepin zeigt, daß mit entsprechenden Ressourcen ein bildhübscher und technisch aufeinander abgestimmter Linux-Desktop entstehen kann. Das optische Konzept von deepin kann überzeugen. Es sieht von den Animationen und eingesetzten Transparenteffekten sehr gut aus. Doch bleibt die Frage welches Geschäftsmodell liegt der Deepin Technology Co Ltd zugrunde. Welche Firma würde hergehen und gewisse Ressourcen in ein Projekt stecken, das am Ende keinen Etrag bringt? Also wie könnte dieses Unternehmen entsprechende Einnahmen generieren? Ich habe generell kein Problem mit dem Ursprung in China. Doch ich kann wenig zum Geschäftsmodell von deepin finden (siehe https://www.deepin.org/en/aboutus/) und von sofern es keine wohltätige Organisation ist, stelle ich mir immer die Frage nach dem Geschäftsmodell. Leider ohne klare Antwort.

Würde ich deepin auf meinem Rechner einsetzen?

Nein würde ich nicht, weil mir in Verbindung mit dem Geschäftsmodell zu viele Fragen offen sind. Privatsphäre und Datenschutz sind für mich wichtige Aspekte und ich will, falls nicht quelloffen, zumindest das Geschäftsmodell klar erkennen können. Optisch würde ich durchaus einen Wechsel überlegen. Es sieht sehr modern aus. Fühlt sich auch gut an und liefert für viele proprietäre Software wie WPS Office z.B. mit. Sicher dürfe das Endanwender freuen. Ich finde es schade, daß es kein Manjaro mehr mit Deepin Oberfläche gibt aber das User Experience Programm hat eine weitere Zusammenarbeit leider unmöglich gemacht. Und hier solle die Vernunft einkehren mit einem Wechsel zu deepin. Bis das nicht zweifelsohne geklärt ist, würde ich die Finger davon lassen. Als VM Installation ist es aber durchaus ein nettes Spielzeug.

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6 Comments

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  1. Danke für die aufschlussreiche Erklärung zu deepin, hatte sofort bedenken, als ich las, chinesisch. werde es auch deinstallieren, eigentlich schade, ist wirklich schön.
    mit freundlichen Grüßen
    und schön gesund bleiben
    Holger Junge

  2. Hallo Michl,

    hab mir deren about us durchgelesen.
    Ich vermute, dass sie mit Service für gewerbliche Kunden Geld machen wollen oder das schon machen. Des Weiteren haben sie nicht ganz unbekannte Projekte mit im Boot.
    Die haben ganz andere Probleme wie üble Bugs.
    Das hatte ich bei Suse gesehen. Link muss ich wieder raus suchen.

    Gruß Heiko

  3. “Doch solange Deepin nicht mal 100%ig auditiert ist” + “Privatsphäre und Datenschutz sind für mich wichtige Aspekte und ich will, falls nicht quelloffen, zumindest das Geschäftsmodell klar erkennen können” Sind deine Argumente gegen Deepin!
    Welches OS ist den zu 100% auditiert? Welches OS gewährt dir Privatsphäre und Datenschutz?

  4. Hallo Uwe,

    es gibt hier zwei Aspekte:
    Kommerzielle, nicht quelloffene Software kann mit Audits Vertrauen aufbauen.
    Quelloffene Software muss dies nicht zwingend machen, da der Quellcode theoretisch von jedermann geprüft werden kann.

    Ich habe keine Kenntnis darüber ob z.B. Windows oder macOS jemals auditiert werden durften. Ergo glaube ich, dass keins der kommerziellen BS auditiert ist. Man muss dem Hersteller vertrauen oder nicht. Bei Linux wirkt das Debian Projekt an der Stelle seriös, da der Umgang mit Lücken transparanent ist und im Falle von Schweinereien die Wahrscheinlichkeit groß ist, dass einer deren 1000 Entwickler darauf mal stößt und publiziert.

    100% Garantie gibt es nur, wenn Du Dir alles selbst baust, also “from scratch”

    Gruß

  5. Die Beiträge sind immer super. Ich liebäugle schon lange mit Linux, leider läuft Affinity nicht unter Linux sonst wäre ich schon lange umgestiegen. Aber trotzdem: Weiter so, freue mich immer auf neue Artikel!