EndeavourOS Cassini Nova im Test. Wie steht es um das Antergos Erbe 2023?

5 min


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EndeavourOS ist ein Arch Fork, den ich schon eine sehr lange Zeit nicht mehr in den Fingern hatte. Wir schauen uns heute an, was die derzeit aktuelle Version EndeavourOS Cassini Nova zu bieten hat. Viel Spaß.

Die Distro

Die Wurzeln von EndeavourOS liegen in den Niederlanden, doch das Entwicklerteam ist weltweit verteilt. Als Arch Fork ist EndeavourOS ebenfalls eine bleeding Edge rolende Distro, die alle gängigen Desktops im Rahmen der Online-Installation anbietet. Wer Offline installiert, bekommt ausschließlich Xfce angeboten. Kleiner Fakt am Rande für die, die schon etwas länger im Linux Lager unterwegs sind: EndeavourOS versteht sich weiterhin als der legitime Erbe von Antergos.

EndeavourOS möchte Dinge besser machen als Arch und vor allem gleich zu Beginn einen entscheidenden Unterschied klar machen. Es wird nebst Live-Modus zum Testen auch ein grafischer Installer angeboten. In dem Fall wird Calamares in Stellung gebracht, sodass auch normale Anwender in der Lage sein werden, EndeavourOS zu installieren. Doch eine reine Einsteiger-Distro will man auch nicht sein. Immerhin kommt EndeavourOS standardmäßig ohne einen zentralen App Store, was ja für viele eine bequeme Weise ist, Software zu installieren.

Technische Eckpunkte

Genaue Mindestanforderungen gibt es in der Form nicht. Die Anhaltspunkte sind ehr wage. So ist es allgemein ratsam bei ältereren Rechnern mit 2 oder 4 GB RAM auf die Xfce, LXQt  oder LXDE Edition auszuweichen. Neuere Rechner also mit 8GB RAM oder mehr können sich auch an die anderen Editionen heranwagen.

Durch den Arch Unterbau liegt hier ein klassisches rollendes Distributionsmodell vor. Das Neueste vom Neuen wird hier angeboten. Unter Umständen können mehrfach täglich Aktualisierungen auf Wunsch eingespielt werden. Als Architektur werden 64-bit und ARM unterstützt. Die Paketverwaltung sind Pacman und Yay und beim Paketformat handelt es sich streng genommen umd LZMA-gepackte Tar Archive.

Was die Inbetriebnahme von EndeavourOS angeht, so verweise ich an der Stelle auf meinen Beitrag zur Installation von EndeavourOS im Rahmen der Serie Wechsel zu Linux. Im Bedarfsfall einfach mal reinschauen.

Hacks und wichtige Befehle (Aktualisierung, Suchen etc)

Via Pacman

System aktualisieren

sudo pacman -Syu

Software suchen

pacman -Ss package_name

Software installieren

sudo pacman -S package_name

Via yay

Sync und Aktualisierung aller Pakete aus Repo und AUR

$ yay

Sync und Aktualisierung AUR Pakete

$ yay -Sua

Packet von Repo und AUR installieren:

$ yay -S [package_name]

Entferne Paket inkl. Abhängigkeiten und Konfiguration

$ yay -Rns [package_name]

Suche nach Paket in Repo und AUR

$ yay -Ss [keyword]

Zielgruppe

Als Zielgruppe schließe ich Einsteiger und normale Desktop Anwender definitiv aus, denn dafür ist die Distro zu dünn aufgestellt. Progressive Anwender und Distro Hopper sind hier gut aufgehoben. Das bedeutet man sollte schon gewisse Linux Kenntnisse haben und auch im Stande sein, bei Problemen diese eigenverantwortlich analysieren und lösen zu können.

Performance, Desktop & Programme

Systemvermessung

Mein System krallte sich nach der Installation magere 2,5 GB von der Platte. Der initiale Benchmark im Bedarf an Arbeitsspeicher lag bei knapp 780 MB.

Die Anzahl installierter Pakete nach erstem Start lag bei fantastischen 789 Paketen.

Desktop Oberfläche und Konzept

Zum Zeitpunkt der Beitragserstellung wurde Xfce Version 4.18 ausgerollt.

Das Desktop Konzept ähnelt einem etwas älteren Windows XP Konzept. Unten eine Leiste mit Startmenü links, gefolgt von Programm Schnellstartern. Daneben geöffnete Programmfenster und rechts sind klassische Systemindikatoren und eine Uhr. Insgesamt ein gestandenes Konzept, keine Frage. Nicht der neueste Windowsversion entsprechend aber ich vermute, dass die meisten EndeavourOS Nutzer damit keine Bauchschmerzen haben werden. Mir geistern hier noch die extrem niedrigen Performancewerte im Kopf herum. Wir hatten 2,5GB Installation und 789 Pakete. Das sind wirklich sehr gute Werte respektive der Tatsache, dass der Desktop schön designed ausschaut und nicht so grauenhaft roh wie z.B. bei Debian. Ja ich weiß, kleiner Seitenhieb gegen Debian aber für mich auch eines der besten Kontrastbeispielen. Die Designsprache ist klar auf Arc Thema ausgelegt und dies wird mit den Qogir Icons zusammen ausgeliefert. Da kann ich nicht meckern.

Vorinstallierte Software

  • Kernel: 6.2.2
  • Browser: Firefox
  • E-Mail Client: –
  • Büropaket: –
  • Software-Container: –

Allgemein vorinstallierte Software:

Das eben war kein Scherz. Es ist weder ein Mail-Client, noch Office Paket, noch Container wie Flatpak oder Snap vorinstalliert. Das dürfte auch attestieren, dass man sich an fortgeschrittene Nutzer richtet, die sich schon grob etwas auskennen, was es an Apps gibt und diese Apps sich selbst besorgen.

Der Software-Stack ist minimal und wirkt sauber und ordentlich aufgeräumt. Natürlich sind auch keine unnützen Spiele vorinstalliert. Das braucht es auch nicht. Durch den schlanken Aufbau ist das System schnell und agil. Auch in einer VM geht alle flott zu. So mag ich das.

Besonderheiten und Fazit

EndeavourOS fährt mit einer interessanten Besonderheit im Installer. Es gibt die Offline-Installation, die lediglich Xfce vorinstalliert bringt und die Online-Installation, in deren Rahmen man auch alle anderen gängigen Desktops statt Xfce installieren kann. Das war schon bei meinem letzten Test im Jahr 2020 so und ich finde es gut, dass es so angeboten wird und weiterhin Bestand hat. So ist man doch sehr flexibel.

Ich habe ein EndeavourOS System als VM bei mir installiert. Auf dieser habe ich als App Store Pamac installiert, weil ich es doch grafisch gerne habe. Das kannst Du auch machen, indem Du diesen Befehl in die Konsole eingibst:

yay -S pamac-aur

Die Nachfragen auf Vorgabe lassen und dann ist das in wenigen Minuten durch. Pamac ist für mich für Arch Systeme unerlässlich, aber das ist meine persönliche Meinung. Aber hier muss man schon auf Yay und das AUR zurückgreifen, dazu gleich mehr.

EndeavourOS ist übrigens zusammen mit Manjaro weitaus nutzerfreundlicher als Arch. Das beginnt bereits bei der Installation, wie wir schon feststellten. Doch anders als Manjaro rollt EndeavourOS aktualle Pakete sofort aus und testet sie nicht erst noch eine kurze Weile wie Manjaro dies tut. Heißt es gibt immer den neuesten Spaß, was Funktion und Fehler betreffen kann aber nicht muss. Wenn Du jetzt Ubuntu oder so nutzt und denkst, dass das eine interessante Sache ist, dann bedenke, Du solltest regelmäßig Aktualisierungen einspielen. Andernfalls, so meine Erfahrung, kann es zu Abhängigkeitsproblemen kommen, die alle manuell gelöst werden wollen. Das bitte im Vorfeld mit bedenken.

Steigt man bei EndeavourOS ein, hat man zunächst die eigenen Paketquellen und via YAY auch einen Wrapper für das AUR, das ist die Abkürzung für „Arch User Repository“. Zwar kann man hier auch direkt Apps, die man sonst über Git holen kann, installieren, doch muss man dieser Quelle vertrauen. Und das ist für mich immer der Streitpunkt bei Arch und seinen Derivaten. Im AUR ist eine verlockend breite Palette an Apps. Beispielshaft sei TimeShift hier genannt, das vom Linux Mint Projekt betreut wird. Installiert man EndeavourOS mit BtrFS Dateisystem, was ich empfehle, dann sollte man dessen Potenzial mit TimeShift ausschöpfen, um rückrollbare Schnappschüsse anfertigen zu lassen. Der einfachste Weg geht über das AUR. Arch selbst hat das AUR nicht aktiv und empfiehlt es eben auch nicht aufgrund der unklaren Support-Situation. Es gibt auch hier keine echte Qualitätssicherung und garantierte Aktualisierungen auch nicht. Das ist kein Vorwurf, sondern sollte in dem Kontext auch klar formuliert werden. Funktional finde ich das AUR super. Jedoch überwiegen für mich die Bedenken. Ich vertraue nicht beliebigen Quellen. Also entweder ganz gezielte Software von seriösen Entwicklern holen oder ganz lassen. Lässt man es aber ganz, ist das Softwareangebot eingeschränkt. Eine Alternative könnten Container wie Flatpak oder Snap sein, falls man AUR nicht mag, aber Software benötigt. Grundsätzlich hat das AUR aber auch das größte Potenzial für Schadsoftware, wenn Entwickler mit bösen Absichten da Pakete bereitstellen. Heißt nicht, dass das so ist, sondern nur, dass es sein könnte und das Risiko hier halt höher ist.

Ja lange Rede. Das AUR hat Vor- und Nachteile. Das will ich sagen. Und man sollte wissen, dass wenn man daraus mal Pakete gezogen hat, eine Trennung später könnte zu Problemen führen. Also entweder ganz lassen oder dediziert Software beziehen oder Augen zu und durch und inflationär alles ziehen, was man braucht. Das sind die Optionen, wovon Du Dir was aussuchen kannst.

Fazit

Wer auf Arch scharf ist, aber auf die Installation und Einrichtung etc kein Bock hat, kann mit EndeavourOS direkt abkürzen und bekommt einen schön designten Desktop inkl. schlanker Softwareauswahl.

Ansonsten kommt EndeavourOS mit allen Vor- und Nachteilen, die Arch zu bieten hat. Magst Du dieses KISS Prinzip, könnte diese Distro eine interessante Station für Dich sein. Bist Du nicht so ganz darauf auf sofort das neueste zu bekommen und kannst mit einer Karenzzeit von etwa 2 Wochen gut leben, schau Dir besser Manjaro an.

Und noch etwas. Als mir auffiel, dass ich EndeavourOS zuletzt 2020 hier im Test hatte, hatte ich mich gefragt, Michael, solltest Du der Arch Familie nicht etwas mehr Aufmerksamkeit widmen? Und ich habe mich dafür entschieden. Es könnten also ein paar mehr Beiträge zur Arch Familie künftig kommen. Ich denke das verdient dieser Zweig durchaus, wenn auch gleich ich weiterhin LTS Nutzer bleibe. Käme Euch das entgehen wenn ich etwas mehr der Arch-Familie widme? Schreibt Eure Meinung dazu gerne mal in die Kommentare. Natürlich auch, was Ihr zu EndeavourOS denkt. Da bin ich gespannt, was kommt und was ihr wollt.

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6 Comments

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  1. I think everything depends on the way you use EndeavourOS. I use it mainly for word processing and virtual machins. (specially Windows). For this work is very fine.

  2. Hallo Michael, sehr gerne mehr über Arch. Könntest du auch mal ein Artikel zu Artix Linux schreiben? Das würde mich auch mal interessieren.

  3. Das war hilfreich. Mich nervt Arch brutal wenn es um efi-boot und verschlüsselte Festplatten geht aber es ist halt schön nackt. Mal sehen ob Endeavor nackt bleibt ohne so zu zicken. Danke.
    @Alfred: Nein, weder Edison noch Benz hatten Arch im Sinn. Linus vielleicht. 😛

  4. Das mit den erwähnten Abhängigkeitsproblemen sollte eigentlich nicht passieren, wenn man neue Pakete immer mit sudo pacman -Syu statt nur -S installiert. So wird zuerst das System aktualisiert und dann das neue Paket installiert. Ich nutze EOS jetzt schon seit fast einem Jahr und hatte noch nie solche Probleme mit den offiziellen Repos.

  5. Habe nacktes Arch seit Jahren auf einem Raspi4-Server laufen, Manjaro auf dem PC und einige Zeit auf dem Lappi. Mußte dann aber mit dem Lappi auf MX umsteigen, weil das Touchpad nicht mehr ging (Kernel). Anfangs hatte ich den Kernel dazu immer selber gebaut, nervt aber auf Dauer…
    An Arch & Co. reizt mich, daß man fast alles im Terminal mit 1-3 Zeilen erledigen kann.
    Wenn man die Updates aber zu lange warten läßt (was ich durchaus mache), riskiert man schon ab und an, daß man händisch allerhand geradebiegen muß. Kommt aber eher selten vor.
    Mache aber vor JEDEM Update ein Full-Backup, dann kann ich notfalls zurück, bis ber Bug raus ist. Das aber nicht nur bei Arch & Co.
    Bin hier vorbeigekommen, weil ich mal Alternativen zu Manjaro sehen wollte.
    Schöner Artikel.