Fedora oder Pop!_OS – Statische Distros mit neuesten Kernel

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Viele argumentieren für sogenannte rollende Distros wie Arch u.a. um den neuesten Linux Kernel und somit die neuesten Treiber zu bekommen. Doch für den neuesten Kernel muss man nicht unbedingt eine rollende Distro nutzen. Es gibt auch statische Distros wie Fedora oder Pop, die ebenfalls frische Kernel liefern. Was es damit auf sich hat, welche Vor- und Nachteile das bietet, dazu gibt’s jetzt mehr. Viel Spaß.

Statische Distros mit neuem Kernel

Ja es könnte für einige wie ein Kulturschock anmuten, aber es ist wahr. Um einen neuen Kernel zu bekommen, ist nicht der Wechsel auf eine rollende Distro nötig. Denn rollende Distro heißt nicht nur neuen Kernel, sondern alle Pakete sind fortlaufend im Wandel und werden immer sofort dann, wenn es neue Versionen gibt, aktualisiert. Das System könnte also nicht mehr ganz so ruhig sein. Entsprechend liefern rollende Distros manchmal am selben Tag Aktualisierungen aus. Und generell wird bei rollenden Distros empfohlen, in möglichst kurzen Intervall zu aktualisieren. Alle paar Tage oder spätestens wöchentlich ist quasi Standard. Doch dann laufen auch gerne mal hunderte MB oder GB an Updates rein. Doch das muss nicht sein.

Denn die Welt ist nicht nur hell und dunkel. Nicht nur Tag und Nacht. Wie auf einer Farbskala gibt es viele Zwischentöne und Nuancen. So auch bei den Linux Distributionen. Es gibt also nicht nur Ubuntu LTS und Debian Stable auf der einen und openSUSE Tumbleweed und Arch auf der anderen Seite. Nein nein!. Das Portfolio von unserem Freund Tux ist viel umfangreicher.

Dazwischen ist Luft für Distros wie Fedora oder Pop. Denn beide sind statische Versionen, also Linux Distros, die in gewissen Abständen neue Versionen mit neuen Paketen und Software veröffentlichen. Aber als Schmankerl obendrauf liefern diese beiden Distros immer wieder auch den stets neuesten Kernel aus. Nicht sofort nach Erscheinen dessen, sondern auch mal mit etwas Zeit dazwischen bis erwiesen ist, dass alle stabil ist und das System mit dem neuen Kernel gut läuft.

So liefern Stand heute, also Ende März 2023 sowohl Pop 22.04 als auch Fedora 37 den GNU/Linux Kernel 6.2 aus. Gleichzeitig liefert z.B. Ubuntu bei den Versionen 22.04 und 22.10 den Kernel 5.19 aus. Also nicht mehr den neuesten Mainline Kernel.

Vor- und Nachteile von Fedora und Pop gegenüber rollenden Distros

Nun wären wir nicht in der Linuxwelt, gäbe es nur die eine oder andere Entscheidung, richtig? Es gibt immer Vor- und Nachteile, die, von einem gewissen Standpunkt aus betrachtet, manchmal die subjektive und gefühlte Wahrheit darstellen aber manchmal auch die nackte Wahrheit. Mir geht es an der Stelle nicht darum das eine oder andere Modell besser oder schlechter darzustellen. Daher schauen wir uns sowohl die Vor- als auch die Nachteile an.

Vorteile:

Die Vorteile liegen ganz klar auf dem Tisch. Statische Versionsdistro bedeutet, es ist ein stabiler Unterbau, der in Teilen modernisiert wird, aber in den Grundfesten bis zur Nachfolgeversion unverändert bleibt und nur Sicherheitsaktualisierungen bekommt. So liefert Fedora zwar immer einen neuen Kernel aus und auch die entsprechend mitgelieferte Gnome-Version ist recht aktuell aber die nachfolgende Gnome-Version ist der nachfolgenden Fedora-Version vorbehalten. So wird die derzeit noch aktuelle Fedora 37 Version mit Gnome 43.3 aktuell gehalten. Doch vor wenigen Tagen wurde Gnome 44 veröffentlicht, was dann im April mit Fedora 38 debütieren wird. Fedora 37 wird kein Gnome 44 erhalten. Damit einhergehend erhalten Fedora Anwender mit der Folgeversion immer einen neuen Software-Stack. Doch der Linux Kernel z.B. wird auch bei Fedora in der neuesten Version aktualisiert.

Bei Pop ist es wieder etwas anders, da Pop grundsätzlich eine LTS Distro ist bzw. dahin umgestellt hat. Die Basis von Pop!_OS 22.04 ist Ubuntu 22.04 LTS. Doch an verschiedenen Stellen greift System76, die Firma hinter Pop, ein und modifiziert die Linux Distribution nach eigenen Vorstellungen ab. Das umfasst z.B. den kompletten Gnome Desktop, der bei Pop mit Cosmic Desktop auch anders tituliert wird. Doch abgesehen von der Oberfläche liefert Pop auch immer den aktuellen Kernel aus und das trotzt LTS Unterbau. Die Interimsversionen von Ubuntu hatte Pop in der Vergangenheit auch geführt, doch seit Ubuntu 22.10 hat man dieses Modell suspendiert und konzentriert sich auf die LTS Version. Das hat jedoch verschiedene Gründe. System76 baut derzeit den Cosmic Desktop komplett neu auf und verabschiedet sich somit von Gnome Shell. Das bindet Entwickler-Ressourcen, sodass die Prio auf Cosmic und nicht auf eine Interimsversion mit Gnome-Shell gelegt wurde, was auch einleuchtet. Punktuell werden aus der Ubuntu STS Version Pakete rückportiert für Pop!_OS 22.04 angeboten. Aber das nur im überschaubaren Rahmen, was nicht schlimm ist.

Nachteile:

Beide Distros entstammen kommerziellen Firmen. In Fedora stecken die Finger von Red Hat und hinter Pop!_OS steht die US-amerikanische Hardwaremanufaktur System76. Beide Unternehmen sind gewinnorientiert aufgestellt, was bei Firmen nicht unüblich sein soll. Gewinnorientiert muss nicht kapitalistisch bedeuten, sondern kann bedeuten, den Mitarbeitern eine solide Basis anzubieten, sodass diese sich sorglos auf ihren Job konzentrieren können. Das könnte immerhin auf System76 zutreffen. Was das Schicksal der Red Hat Mitarbeiter nach der Übernahme von IBM angeht, so fehlen mir an der Stelle gesicherte Informationen. Doch aus Erfahrung mit US-Firmen wird da oftmals die Marge absolut in den Vordergrund gestellt, was auch System76 umfassen könnte. Doch ekletant ist, dass die Distros den Vorstellungen der Firmen folgen. Die Nutzer oder Community hat keinen Einfluss auf die Entwicklung der Distro. Das wird an anderer Stelle entschieden. Bei Pop liegt die Entscheidungsgewalt voll bei System76. Bei Fedora liegt sie formal nicht bei Red Hat aber letztlich können die beteiligten freiwilligen Fedora Entwickler sich Entscheidungen von Red Hat de facto nicht verwehren. Wer die Kapelle bezahlt, bestimmt, was gespielt wird. Vielleicht kennen einige von Euch dieses treffende Sprichwort noch. Von daher eint beide Distros die direkte oder indirekte Abhängigkeit von einem US-Unternehmen. Falls Du also höchsten Wert auf ethische Grundsätze wie Gemeinnützigkeit im Sinne von nicht-gewinnorientiert legst, dann dürften die Distros, die von einer Community statt Firma entwickelt werden, den Vorzug haben.

Jenseits konstitutioneller Umstände gibt es auch Anwender, die ganz bewusst ein individuell aufgebautes System und dort stets das Neueste vom Neuen verwenden möchten. Das Prinzip stets die neueste Software zu beziehen und einzusetzen ist ein Kernmerkmal von rollenden Distros. Heißt es gibt hier keine Veröffentlichungsversionen wie es z.B. Fedora 37 oder 38 bzw Pop!_OS 22.04 gibt, sondern im Monat wird ein Image bereitgestellt, welches als Basis für die Installation dient. Monatlich wird veröffentlicht, damit nach Installation nicht unter Umständen Gigabyte an Aktualisierungen heruntergeladen werden müssen. Aber eine neue Version wie im Sinne von Pop oder Fedora stellen diese monatlichen Images nicht dar. Wer also grundsätzlich immer frische und neue Pakete haben möchte, wird mit Pop und Fedora nicht glücklich werden. Zwar sind gewisse Komponenten vom Versionsstand her ähnlich einer rollenden Distro topaktuell, dennoch folgt das Prinzip von statischen Versionen nicht dem der rollenden Distros. Stabilität wird höher priorisiert als Paketaktualität.

Kritiker der statischen Versionsdistros sehen dies als ein veraltetes Modell der Softwaredistribution an. Im Umkehrschluss sehen Kritiker der rollenden Distros dies als ein nicht voll verlässliches System an, welches nicht mit einem vergleichbar hohen Qualitätsniveau in der Feinabstimmung der Pakete daherkommt.

Abschließende Gedanken

Linux hat viele Gesichter und Facetten. Diese Hingabe zur Vielfalt ist manchmal inspirierend und manchmal frustrierend. Verabschieden wir uns vom alten Schubladendenken, so erkennen wir, dass Linux die Stärke bietet, die andere Betriebssysteme am Desktop wie Windows oder macOS vermissen lassen. Es gibt bei Linux Versionen, die von unglaublich stabil bis technisch innovativ und unglaublich progressiv sind. Linux deckt die Bedürfnisse von Unternehmen im Cloud- und Serverumfeld gleichermaßen vollumfänglich ab, wie am Desktop. Vor allem am Desktop bietet sich eine reiche Bandbreite. Diese beginnt bei höchstmöglicher Stabilität wie es z.B. Debian Stable, openSUSE Leap oder Ubuntu LTS anbieten. Als Zwischenstationen können Distros wie Pop oder Fedora gesehen werden, die weder der einen noch der anderen Bandbreite entsprechen. Im progressiven Feld sind rollende Distros anzusiedeln. Aber auch hier gibt es Diversifizierung. Denn manche kommen mit einem Mindestmaß an QS wie z.B. openSUSE Tumbleweed es mit getesteten Abbildern oder Manjaro mit Karenzzeit bis zur Veröffentlichung neuer Software versuchen. Wer direkt an den Puls der Entwicklung den Daumen legen möchte, bekommt mit Arch und Abkömmlingen von Arch wie EndeavourOS, Garuda oder Archcraft sofort nach Veröffentlichung neuer Software diese in den Paketquellen angeboten.

So sehen wir, dass Linux das größtmögliche Potenzial an Veröffentlichungen bei den Linux Distributionen sicherstellt. Ein Großteil der Linuxnutzer dürfte entweder statische oder rollende Distros einsetzen. Die Lücke dazwischen ist doch recht üppig und Ansätze wie Pop oder Fedora versuchen ein gewisses Spagat hinzubekommen.

Der Gedanke dahinter ist völlig plausibel. Bei LTS Distributionen wird in der Regel ein LTS Kernel zum Einsatz gebracht, der vordergründig durch Sicherheitsaktualisierungen gegenüber bekanntgewordenen Schwachstellen gepflegt wird. Der Linux Kernel liefert auch die für Hardware nötigen Treiber mit. Zwar können Nutzer mit gewissen Aufwand neuere Treiber selbst kompilieren und somit ins System bringen, der Aufwand und Nutzen sollten hier aber klar gegenüber abgewogen werden. Ubuntu versucht dem entgegenzuwirken, indem rückportierte Kernel von Ubuntu Interimsversionen von Zeit zu Zeit für die LTS Versionen im Rahmen des Hardware Enablement Stack (HWE-Stack) bereitgestellt werden. Doch sind die rückportierten Kernel nicht die aktuellste Generation und die Treiber somit auch nicht.

Mit der Kernelentwicklung eingehend kommt auch die Treiberentwicklung voran und Treiber werden einem Linux System über den Kernel bereitgestellt. Neue Treiber bedeuten einerseits, dass brandneue Hardware unterstützt werden kann aber auch, dass vorhandene Treiber in Ihrer Leistung verbessert werden können, was sich in einer besseren Performance widerspiegelt. Vor allem bei Grafiktreiber ist dies z.B. beim Zocken interessant.

Der Vorteil von Pop und Fedora liegt auf der Hand: Neuer Kernel in Verbindung mit stabiler und getesteter Systemrobustheit. Das scheint sich auszuzahlen, werden doch beim Thema Gaming unter Linux öfter auch mal diese Distros und bei Fedora darauf aufbauende Distro wie z.B. Nobara für Linuxgamer empfohlen.

Ein weiterer Aspekt, der für diese Distros spricht, ist, dass der allgemeine Wartungsaufwand den das System generiert, niedriger ausfällt als z.B. bei rollenden Distros. Die Gefahr von Paketkompatibilitätsproblemen ist allgemein geringer, sodass auch Linuxnutzer ohne tiefergehende Kenntnisse in der Regel mit Fedora oder Pop besser klarkommen dürften als mit Arch oder Arch-Abkömmlingen.

Am Ende kommen wir zu dem Ergebnis, dass Dir Linux den für Dich passenden Ansatz bietet.

  • Höchstmögliche Stabilität? Dann Debian, Ubuntu LTS oder openSUSE Leap
  • Höchstmögliche Aktualität? Dann Arch, Arch-Forks oder openSUSE Tubmleweed
  • Bestmöglicher Kompromiss zwischen den vorausgenannten Kategorien? Dann Pop oder Fedora

Für was wirst Du Dich entscheiden oder für was hast Du Dich schon entschieden? Schreibe das doch bitte mal in die Kommentare rein. Das ist für mich auch sehr interessant zu wissen, wie Ihr an der Stelle so tickt. Also lasst die Kommentare glühen. Und wo wir schon dabei sind, um an weiteren Videos von mir dranzubleiben, empfiehlt sich ein kostenloses Kanal-Abo. Wer den Daumenhoch klickt und die Glocke aktiviert, tut meinem Kanal darüber hinaus noch was Gutes. Und dann gibt’s auch immer Info an Dich, wenn ich Nachschub bringe. Ich sage schon mal danke. Ach ja, die besten Kommentare behalte ich mir vor anzupinnen und ein Herz zu geben. Also legt gerne jetzt los.


5 Comments

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  1. Mir ist der Sweetspot Fedora am liebsten (als immutable Kinoite-Version). Die Apps beziehe ich ausschließlich als Flatpak und dort sind sie auch immer aktuell, ohne gleich das System zu zu müllen. Dennoch bin ich sehr auf openSUSE ALP gespannt.

  2. Super Artikel, vielen Dank!
    Ich nutze seit Jahren Pop OS und bin mit dem von Dir genannten Kompromiss sehr zufrieden. System76 macht wirklich einen guten Job, trotzdem würde ich mich freuen, wenn es eine deutsche Distro mit ähnlichem Ansatz geben würde…
    However, wie ist es denn mit Debian, da gibt es doch auch den Testing und Unstable (SID) Branch? Ist das nicht vergleichbar mit LTS, Kompromiss und rollend?

  3. Ich mag die Stabilität von Debian und den benutzerfreundlichen Mintzweig, also von daher: LMDE. Was mich als Anwender viel mehr sotört ist, das etliche Software einfach nicht in den Repositories auftaucht und dadurch den Endbenutzen das Linuxleben unnötig erschwert.

    Beispiel

    https://wiki.ubuntuusers.de/Grafikkarten/Benchmark-Programme/

    “…GPUTest (Furmark)

    furmark.png GPUTest kann von https://www.geeks3d.com/dl/show/392 ⮷ heruntergeladen werden (nur x64). Das ZIP-Archiv muss entpackt werden. In diesem Ordner befinden sich sowohl die Applikation GpuTest als auch Shellskripte (diese rufen GpuTest mit bestimmten Optionen auf), mit denen einzelne Benchmarks aufgerufen werden können. Die *.sh Dateien müssen vorher noch ausführbar gemacht werden…”

    Warum zum Teufel, muß sowas immer so verdammt kompliziert sein?

    Die Suche unter LMDE-5 in Synaptic nach “GPUTest” ergab genau Null Treffer. Und weil der einfache Anwender mit einschlägigen Suchwörtern (vorallem in seiner Muttersprache) nix findet, wird etliche Software die vieleicht vorhanden ist, auch nicht benutzt ist faktisch für den interessierten Nutzer inexistend. Das muss sich entlich ändern.

  4. Wenn man die ethischen Beweggründe für die Wahl einer Distribution heranzieht, geht auch Tumbleweed nicht, oder? Dann bleibt nur Debian, oder hab ich eine übersehen?