Das Problem mit älteren Paketen bei LTS Linux Distributionen

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Die Linux Distribution Debian gilt in der Stable Ausgabe als robuste Festung. Gut getestete Pakete sorgen für eine nahezu unübertroffene Stabilität und Zuverlässigkeit. Doch zu welchem Preis?

Viele argumentieren, die Stabilität von Debian ist das ausschlaggebende Kriterium für den Einsatz von Debian, gerade am Desktop und nicht nur am Server, wo Debian sowieso eine gestandene Größe ist. Auch ich hatte in der Vergangenheit die Vorzüge von Debian hervorgehoben und bin bekennender Nutzer von Linux Distributionen mit statischen Veröffentlichungen, also LTS Distros.

Meine zum Teil kritischen Beiträge zu rollenden Distros führte zu Kommentaren, ich würde eine Art Feldzug gegen rollende Linux Distributionen führen. Dem ist absolut nicht so bzw. so meine ich das nicht, wenn ich Kritik übe. Heute kritisiere ich, stellvertretend für LTS Distros, meinen langjährigen Begleiter Debian, versprochen.

Ältere und stabile Pakete ohne volle Funktion

So stieß ich erst kürzlich auf ein mir neues Problem als ich auf einem Notebook Debian 11 Bullseye installierte und mit dem aus den Debian Paketquellen stammenden Nextcloud Desktop Client die gleichnamige Nextcloud Instanz bei einem Hostinganbieter verbinden wollte. Debian 11 liefert Nextcloud Client in Version 3.1.1 aus. Soweit so gut.

Synaptic unter Debian 11 mit Suche nach nextcloud-desktop

Nach der Installation von Nextcloud-Desktop lässt sich diese Version zunächst einrichten und nimmt auch anfänglich die Synchronisation auf. Doch es rödelt vor sich hin. Nach 3 Tagen war der Sync von etwa 16 GB noch nicht durch. Klar, der Rechner ist nicht 3 Tage an aber für gewöhnlich ist der Sync nach ein paar Stunden, spätestens am Folgetag durch. Hier war dem noch so. Es hing sich einfach auf ohne ersichtliche Fehlermeldung.

Anfangs war ich verdutzt und hatte Nextcloud-Client beendet und neu gestartet in der Vermutung, der Hosting Anbieter hat ein Problem. Mitnichten. Das Problem war nicht der Hosting Anbieter. Das fiel mir auf, als ich an meinem persönlichen Rechner mit Debian 11 dies nachstellte. Da ging das ziemlich schnell. Den Unterschied konnte ich auch zeitnah dingfest machen. Ich hatte Version 3.4.2 im Einsatz. Diese stammte jedoch nicht aus den Debian Paketquellen, sondern dabei handelt es sich um das Flatpak Paket.

Also von dem Debian Notebook mit Sync-Problemen den Nextcloud Client von Debian gelöscht und das Flatpak Paket installiert, eingerichtet und siehe da, es läuft auf einmal problemlos. Nach einigen Stunden war der Sync komplett, so soll es sein.

Kritik auch an LTS Distros

Wer ist hier nun also der Schuldige? Nextcloud oder Debian? Ganz klar, Debian. Denn nach dem Credo der stabilen Ausgabe werden zum Zeitpunkt der Erstellung der Distro die Versionsstände eingefroren und in Stable unverändert gelassen, es sei denn es gäbe einen Sicherheitspatch. Doch den gab es hier nicht und wird es vermutlich auch niemals geben. Somit altert das Paket weiter und wird immer öfter Probleme machen. Es ist ja nicht so, dass es gar nicht geht. Es scheint aber nicht mehr alle Funktionen im vollen Umfang abrufen zu können.

Bei Ubuntu kann man sich mit dem Nextcloud PPA behelfen. Bei Debian gab es diese Option auch einmal. Ich zog sie sogar in Erwägung die Paketquelle für Ubuntu einzubinden mit Distributionszweig Focal. Damit ließ sich zunächst auch das Debian Paket auffrischen, doch es war dann defekt und ließ sich nicht mehr starten.

Was lernen wir daraus?

Wer eine rollende Distro einsetzt, kann hier nur müde gähnen. Wer Debian einsetzt kann nur den Kopf schütteln. Klar ist, dass es bei Debian keine neuen Software Stände gibt. Doch läuft die Distribution so in Fehlersituationen hinein, die den gesamten Ruf in Fragen stellen lassen.

Softwaredistribution ändert sich

Früher wurde Software tatsächlich in Schüben, also Versionen verteilt. Mit der Verbreitung von Internetgeräte und der Digitalisierung wandelte sich dies. Softwareanbieter müssen viel schneller auf gefundene Sicherheitslücken reagieren. Auch ist der Reifeprozess von Software heutzutage schneller als früher. Neue Features müssen stets her um die Anwenderschaft bei Laune zu halten. Hier entscheidet die Verhältnismäßigkeit, ob das Sinn oder Unsinn ist.

Weiterentwicklung von Software ist grundsätzlich zu begrüßen. Doch führt das zu Problemen, wenn das kein umfassender Prozess ist. Wenn also in diesem Beispiel am Backend (Nextcloud Server Software) Dinge verändert werden, die am Frontend (Nextcloud Client) entsprechende Anpassungen benötigen, dann ist das eigentlich in Ordnung. Wer Windows, macOS oder eine Linux Distribution mit rollendem Versionsstand einsetzt, hat damit kein Problem, da immer die neueste Version kommt. Bei Debian sieht es an der Stelle dann aber gruselig aus.

Nextcloud Client ist nur ein Beispiel. Es gibt natürlich noch weitere. KeePassXC ist so ein. Auch hier ist die angebotene Version 2.6.2 einige Stände hinter der neuesten Version 2.6.6. So zeigt sich also, dass der Debian Unterbau durchaus seine Vorteile hat. Am Server ist es für viele Admins eine Erleichterung, dass nur Sicherheitsaktualisierungen kommen und nicht neue Paketstände. Doch am Desktop trübt dies das Nutzererlebnis mit Debian merklich.  Zum Vergleich: Bei openSUSE Leap 15.3 wird derzeit über Yast Software Installieren KeepassXC 2.6.6 angeboten. Beim Nextcloud Client wird mit Version 3.1.3 ebenfalls eine veraltete Software angeboten.

Bleiben für Debian Desktop Anwender nur wenige Optionen. Entweder eine andere Distribution mit neueren Software-Stack oder, und so mache ich das, die meisten Desktop Apps als Flatpak installieren. Mir ist klar, dass nicht alle mit Container Lösungen klarkommen oder einverstanden sind aber ich halte es bei Debian am Desktop für besser mit neuer Software auf Container-Basis zu operieren als mit veralteter Software im nativen Paketformat.

Fakt ist für mich, dass dieser Umstand in Verbindung damit, dass meine mittlerweile bevorzugte Desktop Lösung Pantheon für Debian nicht verfügbar ist, ich mich immer öfter nach einer besser passenden Alternative umsehe. Debian und ich wir entfremde uns demnach leider zusehend voneinander. Ist nach all den Jahren zwar schade aber sind wir ehrlich: Am Ende des Tages reden wir hier von einem Betriebssystem bzw. von einer Linux Distribution. Also ist das kein Drama für mich. Das Leben geht weiter.

Dennoch wird es für mich spannend, wo ich mein Zelt künftig aufschlagen werde. ElementaryOS sollte man meinen. Doch der Ubuntu Unterbau bringt ähnliche Umstände wie Debian. Daher sondiere ich derzeit sehr weitreichend. Doch einen Schnellschuss wird es nicht geben. Ich präferiere geordnete Übergänge. Es bleibt also spannend.


9 Comments

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  1. Hallo MichlFranken,

    “Wer ist hier nun also der Schuldige? Nextcloud oder Debian? Ganz klar, Debian. Denn nach dem Credo der stabilen Ausgabe werden zum Zeitpunkt der Erstellung der Distro die Versionsstände eingefroren und in Stable unverändert gelassen, es sei denn es gäbe einen Sicherheitspatch. Doch den gab es hier nicht und wird es vermutlich auch niemals geben. Somit altert das Paket weiter und wird immer öfter Probleme machen. Es ist ja nicht so, dass es gar nicht geht. Es scheint aber nicht mehr alle Funktionen im vollen Umfang abrufen zu können.”

    Und genau das ist die Krux. Hier besteht Nachholbedarf. Es ist eigentlich ein Unding das man die Versionsstände einfriert (gerade bei Debian). Sicherheitsupdates gibt es ja, aber das alleine genügt meiner Meinung nicht. Mit jeder neuen Veröffentlichung altert das System von Woche zu Woche immer mehr. Hier sollten sich die Macher mal Gedanken machen, ob das wirklich in unserer schnelllebigen Multimedialen Zeit noch angebracht ist. Hier haben Rollende Distributionen klar einen großen Vorteil, wenngleich das auch zu Problemen führen kann.

    Ebenso kann ich aber auch sagen das ich mit Manjaro keinerlei größeren Probleme habe. Das System läuft bei mir seit bereits 2 Jahren einwandfrei auf meinem Hauptsächlich genutzten Desktop Rechner. Was mir aber immer mehr zusagt, ist MX Linux. Befindet sich zwar auf meinem Notebook noch in der Testphase, aber bis jetzt ist alles im grünen Bereich. Bei Problemchen helfen WIKI`s und das ein oder andere Forum ungemein. Auch als nicht registrierter User. Wer sich ernsthaft mit Linux beschäftigen möchte, kommt da eh nicht drumherum.

    LTS Versionen und Rolling Release Distributionen haben beide ihre vor/Nachteile. Für was man sich letztendlich entscheidet findet man nur selbst mit “Testen” heraus. Das “Eine” Linux” gibt es nun mal nicht. Und Empfehlungen zu geben, was man letztendlich nutzen kann/möchte, lässt sich niemals definieren und verallgemeinern. Die Zeiten des Distro Hooping sind bei mir vorbei. Das einzige was ich mir vielleicht noch mal anschauen werde im Sommer, das neue OpenSuse 15.4

    Servus

  2. Hei Michl, ja du hast ein Problem angesprochen, ich hatte auch schwierigkeiten u.a. mit Keepassxc hab es aber mit dem Appimg (2.6.6) behoben. Daher nutze ich wenn möglich Appimg (openshot,czkawka,pcloud usw). Bei Parrot OS habe ich das Problem (noch) nicht, das basiert auf Debian-Testing, macht aber nen stabilen Job. Schaue mir zZ. VOID Linux an, macht bei der installation etwas mehr arbeit aber dann hatt man nur das was man wirklich will und braucht an Software und ein sehr sparsames BS, ein ausführliches testen steht aber noch aus.

    Grüsse aus Norwegen peter

  3. Bin mal gespannt wo es dich hinverschlägt…
    Habe momentan ähnliche Gedanken von Mint zu wechseln auf evtl. EndeavourOS.

  4. Hallo Michl!
    Ich bin an sich auch ein Freund von Debian Stable, gerade wegen seiner Stabilität und Zuverlässigkeit. Und auch habe ich prinzipiell kein Problem mit älteren Softwareständen, sofern keine bekannten Sicherheitslücken vorhanden sind.
    Aber auch sollte natürlich die Nutzung einer Software noch möglich sein! Wenn das nicht mehr gewährleistet ist, nützt mir Stabilität über “Versionstreue” nichts, wenn am Ende ich Programme nicht mehr nutzen kann. Hattest Du nicht bei Debian auch ähnliches irgendwann über Flatpak geschrieben und man dort einzelne Pakete nicht mehr nutzen konnte, weil die eine neuere Version der Laufzeitumgebung benötigten?
    Das sind natürlich Punkte, die Debian leider für den Desktop ins Hintertreffen kommen lassen. Zumal ja Debian 11 nicht sehr alt ist und so noch gut 1,5 Jahre weiterläuft.
    Gruß aus dem Ländle

  5. @Ralle:
    Servus ins Ländle,

    ja den Fall hatte ich mit Buster und Ungoogled Chromium beobachtet. Bei Bullseye reicht die Flatpak Version, zumindest derzeit, noch aus für Ungoogled Chromium.

  6. @ Michl
    Momentan geht das bei Flatpak sicher noch. Aber da ist in Stable die Version (natürlich) auch schon hinterher. Die aktuelle muss man sich dann über Backports holen. Und aktuelle Software über Flatpak nützt ja auch nichts, wenn die Laufzeitumgebung dann zu alt wird.
    Wie gesagt, ich mag Debian Stable sehr und komme auch an sich damit klar, aber wenn man für seinen Workaround, wie bei Dir, aus mehreren unterschiedlichen Quellen seine Tools zusammensuchen muss, damit man es noch nutzen kann, ist das sicher nicht im Sinne der Nutzer.

  7. @Ralle:
    Ganz genau. Das sehe ich auch so. Aus dem Grund hatte ich mir auch eine andere Distro gesucht. Mehr dazu kommenden Freitag. 🙂